Um versteckte Champions der Energiewende in Deutschland zu finden, lohnt es sich, über die bekannteren Städte wie Berlin oder München hinauszuschauen. Jahrelange Basisaktivitäten, geschäftstüchtige lokale Bauern und engagierte Verwaltungen haben den Landkreis Marburg-Biedenkopf zu einem Best-Practice-Modell der Energiewende gemacht. Der Landkreis mit etwa 241.000 Einwohnern, der sich ungefähr in der Mitte Deutschlands befindet, hat zehn Dörfer, die bis 2040 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien abzielen. Sie beziehen ihre gesamte Wärme und Energie aus Biomasse, die in Blockheizkraftwerken verbrannt wird, betreiben ländliche Elektroautoclubs und vergeben jährlich durch die Crowd finanzierte Auszeichnungen für bürgernahe nachhaltige Verbrauchs- und Energiestrategien. Mit der malerischen mittelalterlichen Universitätsstadt Marburg als Verwaltungszentrum haben sich die Dörfer des Landkreises zusammengeschlossen, um gemeinsame Ziele wie die Energiewende zu verfolgen.
Marburg hat eine Geschichte des Umweltaktivismus. Mitglieder der Universitätsgemeinschaft und lokale Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich in den 1970er und 80er Jahren an der Umwelt- und Anti-Atomenergiebewegung in Westdeutschland, die einen Grundstein für ein progressives Denken über Energie- und Klimapolitik legte. Das Engagement für die Umwelt spielt auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Region in Hessen. Fast ein Drittel der Schulen des Landkreises erfüllen nun die anspruchsvollen “Passivhaus” -Standards für Energieeffizienz. Der hohe Standard dieser öffentlichen Gebäude ist nur eines von vielen Beispielen in der Region, wo Bürgerinnen und Bürger sowie energiewende-freundliche Beamte sich zusammengeschlossen haben, um herausfordernde Ziele zu übernehmen und die Initiative zu ergreifen, um staatliche und bundesstaatliche Fördermittel zu erhalten.
Insbesondere Marburg wurde finanzielle Anreize geboten, um ihre Energieeffizienz zu verbessern. Kurz darauf begann die Stadt Schulen, Sporteinrichtungen und andere öffentliche Gebäude umzurüsten. In den 2000ern wurden lokale Bauern Teil des deutschen Bioenergiebooms nach der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Das Bundesgesetz garantierte über dem Marktpreis liegende Preise für erneuerbare Energien, die in das Netz eingespeist werden, und Bauern stellten fest, dass sie ein gutes Einkommen erzielen konnten, indem sie Energie aus Brennstoffpflanzen oder landwirtschaftlichen Abfällen erzeugten. Marburger Hausbesitzer begannen derweil, in Solaranlagen auf den Dächern zu investieren. Thomas Madry, einer der Klimaschutzberater des Landkreises, nennt diese Hausbesitzer und Bauern als die Pioniere der Energiewende des Landes.
Die enge Zusammenarbeit mit dem hessischen Landtag in Wiesbaden spielte eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des Übergangs. Hessens eigener Klimaschutzplan zielt im Gegensatz zu Bundesplänen auf Kommunen und Landkreise ab und umfasst ausreichende Finanzmittel für die Umsetzung. Madry betont, dass sie die Landesregierung unterstützt haben, Feedback gegeben und Fördermittel für Elektromobilität erhalten haben. Sie benötigen sie, um die Ziele zu erreichen, und sie benötigen sie für finanzielle Unterstützung und Expertise. Deshalb arbeiten sie sehr eng zusammen.