Unter der flauschigen Oberfläche von Offenbachs Operette “La Périchole” mit ihren eingängigen Melodien und schmalzigen Walzermelodien verbirgt sich ein dunkles Herz voller rachsüchtiger Wut gegen die Ungerechtigkeiten der Zeit und die aufgeblasene Größe eines lächerlichen, aber tödlichen Diktators, umgeben von korrupten, egoistischen Schmeichlern. In Offenbachs Zeiten war das Ziel Napoleon III.; heute könnte es Donald Trump, Boris Johnson, Kim Jong-un oder zahllose andere sein.
Im Théâtre des Champs-Élysées setzen Marc Minkowski und Les Musiciens du Louvre die Operette auf täuschend flauschige Weise in Szene. Die Operette spielt in Peru, so dass wir mit einer gefälscht-spanischen Stierkampfmusik beginnen, die vor Energie sprüht und in einem Moment romantisch daherkommt und dann in das schönste nostalgische Violinsolo übergeht. Wir sind völlig unvorbereitet, wenn das Geschehen beginnt.
Regisseur Laurent Pelly und Bühnenbildnerin Chantal Thomas platzieren jede Szene unter einem riesigen Porträt des Diktators, dessen Gesicht wir nie im Ganzen sehen, nur eine Nase und einen Mund. Das Stück beginnt mit einem fröhlichen Chorstück, in dem die Massen betrunken die Loblieder auf den Vizekönig Don Andrès de Ribera singen, der Lima besucht. Es wäre alles gute Unterhaltung, wenn die Menge nicht in bar und Alkohol dafür bezahlt würde, so laut wie möglich zu singen. Das Ganze ist historisch gesehen ziemlich brisant, denn es verspottet Napoleons Auftritte vor seinem Palast, um den Jubel sorgfältig inszenierter Menschenmengen zu empfangen.
Zwei Straßensänger betreten die Szene, pennälerisch und verarmt: Périchole und ihr Freund Piquillo. Don Andrès begegnet Périchole und ist verzweifelt darum bemüht, sie zu seiner Mätresse zu machen; sie wiederum ist gleichermaßen verzweifelt nach einem warmen Essen. Es folgt viel Heiterkeit in einer passend albernen Serie von Possen, die von der gesamten Besetzung mit Elan gespielt werden. Laurent Naouri brilliert in der Verkörperung des Diktators, der charmant und urbane wirkt und sich im nächsten Moment in Bösartigkeit verwandelt.
Pellys Regie ist sicher und geschickt, spielt mal für mal zum Lachen und verdunkelt die Stimmung im nächsten Moment. Die Choreographie der Cousins wird zu einer dreifachen Glanzleistung; sie manipulieren schamlos Don Andrès und seine Schmeichler. Die Jailer-Szene des dritten Akts wird von Offenbach surreal gestaltet. Die ganze Aufführung endet mit einem glorreichen Offenbach-Galopp, der uns alle mit einem breiten Grinsen zurücklässt.