Die Documenta, die alle fünf Jahre in Kassel stattfindet, ist die weltweit einflussreichste Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Am 19. Juni, einen Tag nach der Eröffnung, wurde ein acht Meter hoher Banner mit dem Titel “People’s Justice” von der indonesischen Kunstkollektiv Taring Padi auf dem Friedrichsplatz, dem zentralen Platz von Kassel, aufgehängt. Der Banner war eine massive Form von Agitprop und zeigte Täter und Opfer des Suharto-Regimes, das für seine gewaltsame Kampagne gegen Mitglieder der indonesischen Kommunistischen Partei bekannt ist.
Der Banner sollte als Volkstribunal dienen und wurde von Taring Padi als Antwort auf die Ereignisse während des Sturzes von Suharto geschaffen. Nach der Entdeckung von zwei antisemitischen Figuren in dem Banner wurde dieser jedoch zwei Tage später entfernt. Die darauf folgende Kontroverse führte dazu, dass die Direktorin der Documenta, Sabine Schormann, ihren Rücktritt verkündete. Die Reaktionen in den Medien und der Politik in Deutschland reichten von Empörung über die Forderung nach einem Ende der Documenta bis hin zu Forderungen nach mehr staatlicher Kontrolle.
Die Ausstellung selbst wurde als entspannt und energiegeladen beschrieben, mit zahlreichen politischen Debatten über die Folgen des europäischen Kolonialismus. Die Documenta Fifteen wurde von dem indonesischen Kollektiv Ruangrupa kuratiert und zeigte gemeinsam mit weiteren eingeladenen Kollektiven eine nicht-hierarchische und irreverente Herangehensweise an die Kunstwelt.
Die Diskussion um den antisemitischen Inhalt des Banners führte zu weiteren Kontroversen im Vorfeld der Ausstellung, darunter Anschuldigungen gegen Künstler, die als antisemitisch betrachtet wurden, sowie anti-palästinensische Vorfälle in Deutschland. Die öffentliche Debatte zeigte die tief verankerten rassistischen Vorurteile in der deutschen Gesellschaft auf und warf Fragen zur politischen Imagination und zur Verflechtung von Rassismus und Antisemitismus auf.