Die lang erwartete Vorschau auf die documenta 14 in Kassel wurde gestern, am 7. Juni, für Pressemitglieder eröffnet. Nach einer über zweistündigen Pressekonferenz, die von politischen Aussagen geprägt war und nur wenig Neues brachte. Adam Szymczyk und sein Team setzen sich gegen Patriarchat, die dunklen Erbe des Kolonialismus und jegliche Form von Ausgrenzung ein. Es ist jedoch frustrierend zu sehen, wie die Sprache und Mittel, die bei der Vorbereitung der diesjährigen documenta verwendet wurden, sich nicht den aktuellen weltweiten Entwicklungen anpassen.
Während der Vorschau stach ein Projekt heraus, das die Hilflosigkeit angesichts von Ungerechtigkeit erschüttert und den Rahmen dessen, was als Kunstwerk betrachtet werden kann, erweitert. Forensic Architecture, eine in London ansässige Forschungsagentur, präsentierte ihre Ergebnisse zu den NSU-Morden in Deutschland in einem Video mit dem Titel 77qm_9:26min (2017) basierend auf den Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Mord von Halit Yozgat.
Yozgat war das Opfer des neunten von insgesamt zehn rassistisch motivierten Morden, die von der rechtsextremen deutschen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zwischen 2000 und 2011 begangen wurden. Forensic Architecture entlarvte falsche Aussagen eines involvierten Geheimdienstmitarbeiters und legte damit die Notwendigkeit unabhängiger zivilgesellschaftlicher Ermittlungen nahe.
Die Forschungsergebnisse können neue Fragen zur Rolle der Gerichte, der Polizei, des Geheimdienstes, der Medien und anderer Elemente der deutschen Gesellschaft aufwerfen. Forensik sollte ursprünglich im NSU-Gerichtsverfahren in München präsentiert werden, aber aus unklaren rechtlichen Gründen wurde dies abgelehnt. Dennoch sollte die Gesellschaft darauf reagieren und sich mit den Folgen dieser Erkenntnisse auseinandersetzen. Die documenta 14 unterstützt dieses Anliegen, um die Wahrheit auf verschiedenen Plattformen zu präsentieren.