Der Rückgang der Tarifbindung in Deutschland wird oft darauf zurückgeführt, dass Unternehmen zögerlich sind, einem Arbeitgeberverband beizutreten, der kollektive Verträge aushandelt. Jedoch wird hierbei oft vernachlässigt, dass auch effektive Gewerkschaften notwendig sind, um kollektive Vereinbarungen zu verhandeln. Angesichts des zunehmenden Unwillens der Belegschaft, sich kollektiv zu organisieren, haben wir 2.564 Mitarbeiter aus der Metall- und Elektroindustrie zu ihrer Gewerkschaftsbeteiligung und ihrer Einstellung zur Tarifverhandlung befragt. Eine Analyse der Umfrageergebnisse zeigt, dass das kollektive Tarifsystem sowohl von Gewerkschaftsmitgliedern als auch von Nichtmitgliedern geschätzt wird. Arbeiter in der Industrie sind besorgter über den Rückgang der Tarifbindung als über den sinkenden Organisationsgrad. Die befragten Gewerkschaftsmitglieder sind größtenteils zufrieden mit ihrer Organisation und sind davon überzeugt, dass bessere Arbeitsbedingungen kollektiv erreicht werden können. Sie möchten auch Gewerkschaftsmitglied sein, um sich als Individuum zu schützen, zum Beispiel mit Streikgeld oder rechtlicher Beratung. Die Gründe für mangelnde Gewerkschaftsbeteiligung sind komplex: Unzureichende Informationen und mangelnde direkte Mitgliedervorteile spielen eine Rolle, ebenso wie ein allgemeiner Trend zur Individualisierung und die politischen Schwerpunkte der Gewerkschaften. Diese Ergebnisse bieten Ansatzpunkte für den Umgang mit dem Rückgang der Gewerkschaftsmitglieder.