Ich war vor einigen Jahren nach München gekommen, auf der Suche nach einem Archiv, von dem ich nicht sicher war, ob es dort war. Damals war München für mich heiliger Boden, da es ein wichtiger Ort für die Musiktheaterentwicklung war. Ich wollte die sozioökonomische Infrastruktur hinter den bedeutenden Uraufführungen von Komponisten wie Poppe, Ferneyhough, Baukholt, Sánchez-Verdú, Steen-Andersen, Schnebel und Lang verstehen. Privat war ich jedoch wegen “Pnima” nach München gekommen, Chaya Czernowins erstes Opernprojekt, das meiner Meinung nach den Schlüssel zu ihrem Werk darstellt. Die Oper handelt von den Vererbungspfaden kultureller Traumata, die in nachfolgenden Generationen wurzeln. “Pnima” beleuchtet die Beziehung zwischen einem jüdischen Jungen und seinem Großonkel, die beide Holocaust-Überlebende sind, auf eindringliche Weise.
“Pnima” zerlegt die Beziehung zwischen dem Jungen und seinem Großonkel akustisch. Die Oper, für zwei Schauspieler, vier Off-Stimmen, sechs Instrumentalisten, kleines Orchester und räumliche Elektronik komponiert, vermittelt eine emotionale Intensität in einem beengten zeitlichen Rahmen. Die Musikwelt ist instabil und unberechenbar, es entsteht eine Meisterklasse in elastischer Zeit. Die Oper nutzt eine wordless Ästhetik und appelliert an einen unbewussten primitiven Reflex, der ohne namhafte Emotionen auskommt. Die Musik drückt die innere Gewalt aus, verlangt volle Aufmerksamkeit, und spricht mit enormer Kraft.
Eine Reise nach München, um das Archiv der Oper “Pnima” zu finden, endete mit Enttäuschung. Das Archiv war leer, es gab keine Dokumentationen oder Beweise für den Schaffensprozess der Oper. Der Regisseur der Aufführung in Darmstadt entschied sich für ein umstrittenes Thema, indem er “Pnima” als Antwort auf den steigenden Antisemitismus in Deutschland inszenierte. Diese politische Entscheidung führte dazu, dass die Inszenierung in ein kritisches Licht geriet, da sie das Werk für ihre eigenen Agenda fehlinterpretierte und politisierte. Die Produktion wurde als ungeeignet angesehen, um komplexe politische und ethische Fragen angemessen zu behandeln.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Inszenierung von “Pnima” in Darmstadt durch ihre politische Vereinnahmung und mangelnde Treue zum operalen Text zu einer kritischen Diskussion über die Verantwortung von Inszenierungen künstlerischer Werke in politisch aufgeladenen Zeiten geführt hat. Die Oper selbst, tiefgreifend und komplex in ihrer Struktur, wurde durch die Inszenierung in eine politische Botschaft umgewandelt, die die ursprüngliche Intention der Komponistin verfehlt. Die Aufführung zeigt die Schwierigkeiten, Kunst und Politik miteinander zu verweben, ohne dabei die künstlerische Integrität des ursprünglichen Werks zu beeinträchtigen.